Wusstet ihr, dass auf der Dollar-Note eine kleine Eule – die Minerva – versteckt ist? Oder dass auf jeder amerikanischen Münze 23 Zeichen zu finden sind? Dass Julius Caesar mit 23 Dolchstößen ermordet wurde, 23 Atombomben zu Versuchszwecken über dem Bikini-Atoll abgeworfen wurden, Mann und Frau jeweils 23 Chromosomen zur Befruchtung beitragen, das Blut 23 Sekunden braucht, um den menschlichen Körper zu durchfließen, und nicht zuletzt ein junger Mann namens Karl Koch, der wegen des sogenannten KGB-Hack für Aufsehen gesorgt hatte, im Alter von 23 Jahren am 23.5.1989 in einem Wald bis zum Tode verbrannte? Ist das der Beweis für die allumfassende Einflussnahme des mächtigen Geheimbundes der Illuminaten? Oder doch nur Zufall? Warum ich diesen Fragen auf den Grund gehen musste und es zwischenzeitlich den Anschein erweckte, als wollte mich eine unsichtbare Hand daran hindern das Geheimnis dahinter zu lüften, lest ihr jetzt!
So, nachdem ich im ersten Absatz ganz schön viel Mystik schwadroniert habe, kann ich euch erst einmal beruhigen. Es geht – zumindest im folgenden Beitrag– alles mit rechten Dingen zu. Meine Einleitung hat damit zu tun, dass ich das Bonusmaterial für die DVD 23-Nichts ist so wie es scheint produzieren durfte. Die etwas älteren Leser erinnern sich vielleicht sogar noch an diesen Film unter der Regie von Hans-Christian Schmid, mit großartigen Schauspielern wie August Diehl, Jan-Gregor Kremp oder Fabian Busch. Ich persönlich kannte ihn nicht, was wenig verwunderlich ist, da er nur drei Jahre nach meiner Geburt entstand, nämlich 1998. Umso mehr überraschte es mich dann, wie wenig der Film gealtert war – die Bilder sehen sehr gut aus und vor allem weniger „deutsch“, wie das zum Beispiel bei vielen Tatorten und anderen öffentlich-rechtlichen Produktionen der Fall ist. Tatsächlich hatte ich nicht das Gefühl einen Streifen zu sehen, der schon ganze 23 Jahre alt war. Der Film beschreibt den schleichenden Niedergang des jungen Karl Koch, der zusammen mit einigen Freunden Daten im Internet abgriff und sie an den KGB verkaufte. Die von den Medien als KGB-Hack betitelten Ereignisse schlugen hohe Wellen und erzeugten einen großen Aufschrei der Bevölkerung, auch weil damals vielen zum ersten Mal das gefährliche Potenzial von Sicherheitslücken im heranwachsenden Internet bewusst wurde. Parallel werden Karl Kochs Drogenprobleme und zunehmende Obsession mit Verschwörungstheorien – vornehmlich aufbauend auf dem Science-Fiction Roman Illuminatus! von Robert A. Wilson und Robert Shea – dargestellt. Achtung Spoiler: Der Film endet, wie auch die Realität, mit Karl Kochs Tod, am 23.5.1989.
Das Projekt wurde mir von der Turbine-Medien GmbH angeboten, eine ziemlich coole Firma, die ausgewählte Kultfilme in neuem Gewand veröffentlicht, meist mit überholtem Color-Grading, verbesserter Qualität und zusätzlich produziertem Bonusmaterial. Ich habe im Sommer 2020 mit der Planung angefangen, viele Stunden recherchiert, mich vor allem in das Thema der Verschwörungstheorien eingearbeitet und schließlich ein visuelles wie thematisches Konzept für das neue Bonusmaterial erstellt. Das wurde nach einer Feedback-Runde von der Turbine angenommen und ich begann mit der Organisation. Doch dann kam… die zweite Welle.
Wegen Coroni schienen Interviews in Präsenz auf einmal wieder unmöglich zu sein und auch mehrere Reisen quer durch Deutschland, um überhaupt zu den Interviewpartnern zu gelangen, wirkten zu dieser Zeit einfach unpassend. Es ist der erste Stolperstein, der versuchte, uns an der Durchführung dieses Projekts zu hindern – hatten da die Illuminaten ihre Finger im Spiel? Oder alles nur Zufall?
Glücklicherweise konnten wir uns am Ende doch auf einen Termin festlegen. Wir wollten unbedingt die Stimme von August Diehl einfangen und der hatte zufälligerweise am 12. Dezember einen Maskentest für eine Netflix-Produktion im Büro der Claussen+Putz Filmproduktion in München (Jakob Claussen war neben Thomas Wöbke sogar einer der Produzenten des Originals). Es begann ein ständiges Hin und Her, viele Telefonate waren nötig und vor allem die freundliche Unterstützung der Teamassistentin Alexandra Ludwig, ohne die das ganze wahrscheinlich nicht geklappt hätte! Am Ende bekamen wir aber doch eine offizielle Genehmigung: Wir durften im Anschluss an den Maskentest in einem Büroraum der Claussen+Putz Filmproduktion das Interview mit August Diehl abdrehen, selbstverständlich nur unter Berücksichtigung aller Sicherheitsauflagen, die von Netflix vorgegeben wurden. Dazu gehörten strenge Maskenpflicht, mehrmalige Überprüfung der Körpertemperatur und nicht zuletzt ein negativer Schnelltest, der direkt vor Ort von einer Krankenschwester durchgeführt wurde (Das war zur damaligen Zeit ziemlich High-Tech, die Öffentlichkeit hatte (noch) keinen Zugang zu Schnelltests).
Eine Riesengelegenheit, die aber gleichzeitig eine ganze Reihe neuer Herausforderungen mit sich brachte. Erstens mussten wir in einem sehr kleinen Bürozimmer drehen, was die Kameraarbeit deutlich erschwerte (Der Raum hatte geschätzte zehn Quadratmeter). Zweitens sollte beim Bonusmaterial natürlich nicht nur August Diehl zu sehen sein, mindestens drei separate Beiträge wurden angepeilt. Wegen der angespannten pandemischen Lage und auch wegen des begrenzten Budgets war aber bald klar, dass ein zweiter Interviewtermin mit mir, Kameramann und Equipment nicht mehr möglich sein würde. Glücklicherweise stieß ich nach einiger Recherche auf den Schriftsteller Christopher Weidner. Neben seiner Autorentätigkeit arbeitet er aus Leidenschaft für die Stadtspürer in München, wo er eine Führung mit dem Titel „Auf den Spuren der Illuminaten“ anbietet – wie geschaffen für den Film 23. Und tatsächlich erklärte sich Christopher kurzerhand zu einem Interview am 12. Dezember bereit, welches wir dadurch in derselben Location und „in einem Aufwasch“ mit dem von August Diehl drehen konnten. Christopher war ein echter Glücksgriff, er ist einer der höflichsten, unkompliziertesten und vor allem auch kompetentesten Interviewpartner, mit denen ich je zusammenarbeiten durfte.
Wir hatten also einen Schauspieler und auch einen Experten an Bord, ich wollte aber noch mindestens eine freie Stelle besetzen. Dazu muss man sich in Erinnerung rufen, dass 23 auf wahren Begebenheiten basiert, die sich in den 80er Jahren abgespielt haben, de facto bestand die Möglichkeit lebende Zeitzeugen und Freunde von Karl Koch zu befragen. Die meisten von ihnen hatten sich aber aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Dennoch recherchierte ich in der Richtung weiter und stieß schließlich auf den Journalist Detlef Borchers, der zum Thema des KGB-Hack einige sehr interessante Artikel verfasst hat (zum Beispiel den "Der KGB-Hack" in einem Magazin für Computer Technik). Dank seiner Hilfe stellte ich dann Kontakt zu keinem geringeren als Hans Hübner her – der Mann, der mit Karl befreundet war und auf dem unter anderem die Rolle ‚David‘ basierte. Er erklärte sich zu einem Interview bereit, wollte aber – verständlicherweise – wegen des Lockdowns nicht einmal quer durch Deutschland reisen. Es galt also eine Lösung zu finden, wie man mit ihm ein Interview ermöglicht, das visuell nicht aus dem Rahmen fällt, aber keinen weiteren Drehtag voraussetzt. Die Lösung: ich vereinbarte mit Hans ein Interview via Zoom, das ich mit ihm an einem kuscheligen Dezembertag im Freien führte (Die Internetverbindung in meiner WG war mir zu unsicher und das Gebäude von meiner Hochschule war wegen Corona gesperrt worden – zum Glück reichte das W-LAN bis knapp vor die Türen der FH). Für den Drehtag mit August Diehl und Christopher Weidner organisierte ich einen alten Laptop. Der sollte dann kurzerhand in die Kulisse gestellt und abgefilmt werden. Das vom Bildschirm aufgezeichnete Video mit Hans konnte man in der Postproduktion ganz einfach auf den Laptop-Bildschirm legen und schwubbdiwubb sah es so aus, als hätte das Gespräch zwar digital, aber dennoch im selben Raum wie bei den anderen beiden stattgefunden! Alles lief wie am Schnürchen… fast alles.
Es begann drei Tage vor besagtem Drehtermin mit Schmerzen im unteren Rücken, Fieber und Symptomen wie bei einer Blasenentzündung. Nachdem selbst literweise Trinken und alle Mittelchen der Hausapotheke nichts brachten, ging ich zum Arzt – selbstverständlich auch, um mir von ihm bestätigen zu lassen, dass es sich nicht um Corona handelte. Nach einem Ultraschall zeigte sich, dass sich in meinen Nieren eine besorgniserregende Menge Wasser staute, was wiederrum die starken Schmerzen verursachte. Zusätzlich waren meine Entzündungswerte viel zu hoch. Man verschrieb mir Antibiotika und vor allem strenge Bettruhe. Bettruhe? An diesem Punkt realisierte ich, was der größte Vorteil, aber gleichzeitig auch der größte Nachteil bei einem Projekt dieser Größe und Organisationsform darstellte. Auf der einen Seite bot es umfassende künstlerische Freiheit und da ich mit den Jungs von Turbine auf einer Wellenlänge zu sein schien, verfügte ich über großzügigen Handlungsspielraum. Auf der anderen Seite musste ich natürlich viele Aufgaben selbst übernehmen. Das Budget reichte für einen Kameramann und das Equipment – ich übernahm dabei die Organisation, die Gestaltung des Interviewraumes, das Interview selbst und die Logistik (Equipment-Transport etc.) Zwar hätte man mich durchaus ersetzen können, aber leider nicht anderthalb Tage vor dem Dreh während eines Lockdowns. Es half alles nichts, ich musste in den sauren Apfel beißen und vor allem hoffen, dass das Antibiotikum seinen Dienst tun und die schlimmsten Symptome eindämmen würde.
An dieser Stelle schulde ich zwei Menschen ein ganz besonderes Dankeschön: Zum einen Jens Schaffner, meinem Kameramann, mit dem ich jetzt schon sehr viele tolle Projekte durchführen durfte. Er nahm mir einiges an Arbeit ab und sorgte – wie immer – für ein wunderschönes Bild, auch wenn ich selbst nicht ganz auf der Höhe war. Zum anderen meinem Vater. Ich musste an diesem Wochenende für den Equipment-Transport und das Interview insgesamt drei Mal nach München. Er fuhr mich jedes Mal die anderthalb Stunden hin und zurück und verbrachte einen halben Tag lang bei Minusgraden im Auto, weil er die Räumlichkeiten des Maskentests von Netflix natürlich nicht betreten durfte und alle Restaurants sowie Cafés ja ohnehin nicht öffnen konnten. Deswegen: danke… du alter Hund ;)
Und so hatte es am Ende keiner der "mysteriösen" Stolpersteine geschafft, das neue Bonusmaterial zu dieser wunderbaren Neuauflage zu verhindern. Wir haben versucht den Look des „Verschwörungszimmers“ von Karl Koch aus dem Film zu simulieren, inklusive Zeitungsartikel (die übrigens allesamt selbst gestaltet sind), Glühbirne und einfallendem Mondlicht. Ich finde, es ist ganz gut gelungen und spiegelt die Stimmung des Films wider. August Diehl erzählt von seinen Erinnerungen und wie es überhaupt zu der Besetzung kam. Christopher Weidner klärt über Verschwörungsmythen auf und umreißt die spannende Entstehungsgeschichte des Illuminaten-Orden. Schließlich erzählt Hans Hübner wie er den echten Karl Koch erlebt hat, warum der KGB-Hack eigentlich gar kein Hack war und auch, wie er die aktuelle, digitale Entwicklung bewertet. Ab jetzt exklusiv auf der neuen DVD und Blu-ray: 23 - Nichts ist so wie es scheint!
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